Beitrag

OLG Frankfurt fällt Urteil zu Interessenverflechtungen beim Crowdfunding

Das OLG Frankfurt a. M. hat mit Urteil vom 19.05.2022 (Az. 6 U 251/21) entschieden, dass die im Gesetz genannten Regelbeispiele zu den Interessenverflechtungen beim Crowdfunding nicht abschließend sind. Eine maßgebliche Interessenverflechtung zwischen Emittentin und der Internet-Dienstleistungsplattform kann sich auch aus anderen Umständen ergeben. Für § 2a Abs. 5 VermAnlG kommt es nicht notwendig auf eine Interessenverflechtung in rechtlicher Hinsicht an; es kann eine Interessenverflechtung tatsächlicher Art genügen.

1. Crowdfunding in Deutschland
Im Jahr 2020 haben Anleger in Deutschland in einem Umfang von ca. 327,8 Millionen Euro Kapital im Wege des Crowdfundings in Unternehmen investiert (vgl. Crowdinvest Marktreport 2020).

2. Rechtslage
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Crowdfunding wurden durch die Einfügung von § 2a in das Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) unter der Überschrift „Befreiungen für Schwarmfinanzierungen“ zum 10.07.2015 geschaffen. Die Vorschrift wurde fortan viermal modifiziert und ist in ihrer aktuellen Fassung seit dem 16.08.2021 in Kraft. Wie die Überschrift bereits andeutet, sollen Emittenten von Kapitalanlagen von bestimmten Pflichten befreit werden, die ansonsten von Emittenten bei Vermögensanlagen im Sinne des VermAnlG zu beachten wären. Das Gesetz ist so aufgebaut, dass es zunächst definiert, welche Anlageformen (z.B. Nachrangdarlehen) als Vermögensanlagen im Sinne des Gesetzes anzusehen sind. In einem weiteren Schritt stellt das Gesetz dann einen von den Emittenten zu beachtenden Pflichtenkatalog (z.B. die Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts) auf. Für Anlagen, die einen bestimmten Zweck verfolgen (z.B. soziale Projekte) und für Anlagen, die im Wege des Crowdfundings am Markt platziert werden, werden einige der ansonsten geltenden Pflichten ausgesetzt oder zumindest modifiziert.

3. Die Entscheidung
a) Sachverhalt:
Die Antragstellerin betreibt eine Crowdinvesting-Plattform für Vermögensanlagen in Immobilien-Projekte. Die Antragsgegnerin betreibt eine Internetplattform zum Crowdinvesting in Immobilien-Projekte, auf der Plattform haben angemeldete Nutzer die Möglichkeit, in Immobilienprojekte zu investieren, und zwar ab einem Betrag von 200 €. Die Antragsgegnerin bietet ausschließlich Immobilienprojekte an, die von der V-GmbH entwickelt wurden. Sie wirbt auf ihrer Plattform damit, die „hauseigene Crowdinvesting-Plattform der V-GmbH“ zu sein. Man habe sich dazu entschlossen, eine eigene Plattform zu launchen. Die Antragsgegnerin verfügt als GmbH & Co. KG nicht selbst über eine Erlaubnis für Finanzanlagevermittler nach § 34 f GewO. Über eine entsprechende Erlaubnis verfügt jedoch ihre Komplementärin. Die Antragstellerin war der Ansicht, die Antragsgegnerin verstoße gegen die Erlaubnispflicht nach § 34 f GewO. Außerdem laufe der Internetauftritt der Antragsgegnerin auf einen unzulässigen Eigenvertrieb hinaus, der gegen § 2a Abs. 5 S. 1 VermAnlG verstoße. Sie behauptete, es bestünden Interessenverflechtungen zwischen der Antragsgegnerin als Plattformbetreiberin und der Emittentin der Vermögensanlagen.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, mit einer Alleinstellungsbehauptung zu werben. Weiterhin hat es der Antragsgegnerin untersagt, ohne eine Einwilligung nach § 34f GewO Vermögensanlagen über eine Internet-Dienstleistungsplattform zu vermitteln. Den weiteren Verfügungsantrag, der Antragsgegnerin zu untersagen, als Eigenvertriebs-Plattform der V-GmbH Vermögensanlagen zu deren Projekten über eine Internet-Dienstleistungsplattform öffentlich anzubieten, hat es zurückgewiesen.

Auf die Berufungen beider Parteien hat das OLG der Antragsgegnerin weiter untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs als Eigenvertriebs-Plattform der V-GmbH Vermögensanlagen zu deren Projekten über eine Internet-Dienstleistungsplattform öffentlich anzubieten. Die Untersagung, ohne eine Einwilligung nach § 34f GewO Vermögensanlagen über eine Internet-Dienstleistungsplattform zu vermitteln, hat es aufgehoben.

b) Entscheidungsgründe
Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin kein Anspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 3a UWG i.V.m. § 34f GewO zu. Ein Verstoß gegen die Erlaubnispflicht liegt nicht vor. Die Antragsgegnerin, eine GmbH & Co KG, verfügt zwar unstreitig selbst über keine Erlaubnis nach § 34f GewO. Über eine Erlaubnis verfügt jedoch ihre geschäftsführungsberechtigte Gesellschafterin als Komplementärin. Und das ist ausreichend. Bei Personenhandelsgesellschaften ist mangels Rechtfähigkeit nicht die Gesellschaft selbst Gewerbetreibender, sondern es sind deren geschäftsführende Gesellschafter. Im Gegensatz zu juristischen Personen können sie daher nicht Inhaber einer gewerberechtlichen Erlaubnis sein. Zwar können Personenhandelsgesellschaften Träger von zivilrechtlichen Rechten und Pflichten sein (§§ 161 Abs. 2, 124 HGB); als Erlaubnisträger i.S.d. Gewerberechts kommen sie jedoch mangels Rechtsfähigkeit nicht in Betracht. Die gewerberechtliche Zuverlässigkeit stellt auf natürliche Personen ab bzw. auf juristische Personen, denen die Zuverlässigkeit und Sachkunde der für sie handelnden Organmitglieder zugerechnet wird. Dementsprechend heißt es in der Allgemeinen Muster-Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des § 34f GewO unter III. „Erlaubniserteilung“, dass Personenhandelsgesellschaften wie die GmbH & Co. KG selbst mangels Rechtsfähigkeit keine Erlaubnis erhalten, sondern dass jeder geschäftsführende Gesellschafter einen Erlaubnisantrag stellen muss. Das bedeutet aber entgegen der Ansicht des LG nicht, dass Personenhandelsgesellschaften wie die GmbH & Co. KG nicht selbst als Finanzanlagenvermittler tätig sein dürfen.

Auf der anderen Seite steht der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin aus §§ 8 Abs. 1, 3, 3a UWG i.V.m. § 2a Abs. 5 VermAnlG ein Anspruch auf Unterlassung zu, Vermögensanlagen als Eigenvertriebs-Plattform der V-GmbH anzubieten. Bei § 2a Abs. 5 VermAnlG handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a UWG. Danach ist das öffentliche Angebot von Vermögensanlagen nicht zulässig, wenn maßgebliche Interessenverflechtungen zwischen dem jeweiligen Emittenten und dem Unternehmen, das die Internet-Dienstleistungsplattform betreibt, bestehen.

Die Bestimmung des § 2a Abs. 5 VermAnlG dient dem Anlegerschutz. Die Vorschrift beinhaltet in ihrem Satz 2 zwei Regelbeispiele für eine Interessenverflechtung, die vorliegend nicht erfüllt sind. Wie die Systematik der Vorschrift zeigt, sind die Regelbeispiele jedoch nicht abschließend, sondern nur beispielhaft zu verstehen („insbesondere“). Eine maßgebliche Interessenverflechtung zwischen Emittentin und dem Unternehmen, das die Internet-Dienstleistungsplattform betreibt, kann sich somit auch aus anderen Umständen ergeben.

Für § 2a Abs. 5 VermAnlG kommt es nicht notwendig auf eine Interessenverflechtung in rechtlicher Hinsicht an; es kann eine Interessenverflechtung tatsächlicher Art genügen. Für eine tatsächliche Interessenverflechtung kann es ausreichen, wenn das Unternehmen, das die Internet-Dienstleistungsplattform betreibt, faktisch nicht objektiv über die Aufnahme oder Ablehnung von Angeboten der Emittentin entscheiden kann, sondern – trotz rechtlicher Selbstständigkeit – lediglich ein Vertriebsvehikel ist. Infolgedessen ist auch die Antragsgegnerin als „Vertriebsvehikel“ anzusehen und wirbt auch so.

Ihr Ansprechpartner für Bank- und Kapitalmarktrecht:

Frederik Hermans
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Genscherallee 12
53113 Bonn

Telefon: 02 28 / 9 85 09 – 41
Telefax: 02 28 / 9 85 09 – 8835
E-Mail: hermans@schmitzknoth.de