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OLG Dresden fällt Urteil zum Wechselmodell

Das OLG Dresden hat mit Beschluss vom 12.04.2022 (Az.: 21 UF 304/21) entschieden, dass ein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils auch bei einer erheblichen Störung der elterlichen Kommunikation gerichtlich angeordnet werden kann, wenn das Wechselmodell bereits seit geraumer Zeit tatsächlich gelebt wird, es dem beachtlichen Willen des Kindes entspricht und nachteilige Auswirkungen auf das Kind nicht feststellbar sind.

In den meisten Fällen ist es noch so, dass ein Kind nach der Trennung seiner Eltern seinen Lebensmittelpunkt bei nur einem Elternteil hat und der andere Elternteil umgangsberechtigt ist (auch „Residenzmodell“ genannt). Auch der Gesetzgeber geht grundsätzlich von dieser Konstellation aus. Dieses klassische Residenzmodell wird nun allerdings zunehmend durch das sog. „Wechselmodell/Paritätsmodell“ abgelöst. Dies bedeutet, dass das Kind zu nahezu gleichen Zeitanteilen in beiden elterlichen Haushalten lebt und die elterliche Verantwortung von beiden Elternteilen gleichmäßig ausgeübt wird.

In den Fällen, in denen sich die sorgeberechtigten Eltern nicht entscheiden können, ob ein Residenz- oder Wechselmodell gelebt werden soll, stellt sich zunächst die Frage, ob ein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden kann und falls ja, unter welchen Voraussetzungen. Nach der Rechtsprechung des BGH (z. B. Beschluss vom 27.11.2019, Az. XII ZB 512/18) ist ein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils nur anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Einzelfall am besten entspricht. Dabei geht der BGH davon aus, dass ein Wechselmodell nur dann dem Kindeswohl am besten entsprechen kann, wenn die Eltern fähig sind, miteinander zu kooperieren und zu kommunizieren. So bedarf die paritätische Erziehung der kontinuierlichen Absprache und Abstimmung, z. B. über schulische Angelegenheiten, Freizeitaktivitäten, Gesundheit, etc. und zwar unabhängig davon, ob es sich um Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind handelt oder nicht.

Das OLG Dresden ist der Auffassung, dass die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern zwar ein gewichtiges Argument bei der Einzelfallentscheidung, ob ein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden kann, darstellt, macht aber deutlich, dass diese Fähigkeiten kein zwingendes Tatbestandsmerkmal darstellen. Vielmehr kommt es auf eine Abwägung nach Zusammenschau aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Kindeswillens an.

Die grundsätzlichen Erwägungen des OLG Dresden sind insbesondere vor dem Hintergrund durchaus richtig, dass es auf diese Weise einem Elternteil das Wechselmodell ablehnt, zumindest schwerer gemacht wird, durch mutwillige Einstellung von Kommunikation und Kooperation, ein Wechselmodell zu verhindern. Andererseits muss bei der Berücksichtigung des Kindeswillens besonders kritisch geprüft und abgewogen werden, da sich die Kinder häufig in schwierigen Loyalitätskonflikten befinden und bei Entscheidungen eigene Wünsche zurückstellen, um den Wünschen der Eltern zu entsprechen. Generell gilt, dass an die Aufklärung des Sachverhalts bzw. den anwaltlichen Sachvortrag hohe Anforderungen zu stellen sind.

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