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Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem „Corona-Virus“

Das „Corona-Virus“ (auch „Covid-19" oder „SARS-CoV-2“) hat Deutschland erreicht und bestimmt seit Tagen und Wochen die Schlagzeilen in allen Medien. Unabhängig von der Frage, wie man sich aus hygienischer Sicht verhalten sollte, um eine Ausbreitung oder Ansteckungsgefahr so weit wie möglich zu verhindern, wirft das Corona-Virus auch zunehmend Rechtsfragen auf. So mehren sich Fälle von vorübergehenden Betriebsschließungen oder der Absage von Großveranstaltungen, ganz zu schweigen vom Umgang mit Reisen in „gefährdete Regionen", was große Verunsicherung mit dem rechtlichen Umgang solcher Situationen auslöst.

Im Folgenden wollen wir daher einen – selbstverständlich nicht abschließenden – Überblick über mögliche Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus geben.

1. ​Reiserücktritt

Aufgrund der Verbreitung des Corona-Virus sind viele Reisende verunsichert, inwiefern eine bereits gebuchte Reise noch angetreten bzw. ob diese storniert werden kann. Im Fall der Buchung einer Pauschalreise hat der Reisende unter Umständen das Recht, kostenfrei – also ohne Zahlung von Stornokosten – vom Reisevertrag zurückzutreten, wenn die Reise wegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände am Urlaubsort oder in dessen näherer Umgebung nicht oder nur unter erschwerten und unzumutbaren Bedingungen durchgeführt werden kann. Dies kann u.a. der Fall sein bei vorläufigen Einreiseverboten (wie derzeit in einigen Orten in Italien) oder wenn aufgrund von Verdachtsfällen bzw. einer Quarantäne das gebuchte Hotel vorübergehend geschlossen ist. Hierbei kommt es auch maßgeblich auf die jeweiligen Umstände am Ort der gebuchten Reise an. So kann diese Frage für ein Reiseziel in China selbstverständlich anders zu beurteilen sein als für ein Reiseziel in Norwegen. Gegenwärtig spricht viel dafür, dass Reisende in eine vom Corona-Virus betroffene Region (z.B. China, Norditalien) aufgrund unvermeidbarer Umstände von einem Rücktrittsrecht Gebrauch machen können und nicht zur Zahlung von Stornokosten verpflichtet sind. In diesem Zusammenhang kann es jedoch auch maßgeblich darauf ankommen, ob für die jeweilige Reiseregion durch das Auswärtige Amt eine explizite Reisewarnung ausgesprochen wurde. Reisende, die sich ohne behördliche Warnung oder ohne einschränkende Maßnahmen am Reiseziel aus persönlichen Vorsorgegründen dazu entschließen, eine Reise nicht antreten zu wollen, haben zwar auch ein jederzeitiges Rücktrittsrecht vom Vertrag, sind jedoch im Zweifel zur Zahlung der im Reisevertrag bzw. den Reisebedingungen vereinbarten Stornokosten verpflichtet. 

Die Inanspruchnahme einer Reiserücktrittsversicherung oder Reiseabbruchsversicherung dürfte in diesem Fall ebenfalls ausscheiden, da nach den einschlägigen Versicherungsbedingungen eine unerwartete Erkrankung des Reisenden selbst oder eines Mitreisenden voraussetzen. Anders ist dies natürlich dann, wenn der Reisende selbst sich mit dem Corona-Virus infiziert und deshalb die gebuchte Reise nicht antreten kann.

Hat der Reisende keine Pauschalleistungen, sondern lediglich einen Flug gebucht, kommt das Reisevertragsrecht nicht zur Anwendung. Es gelten dann die allgemeinen Beförderungsbedingungen der jeweiligen Fluggesellschaft. Storniert die Fluggesellschaft wegen eines Corona-Verdachtsfalles oder aufgrund behördlicher Start- oder Landeverbote aus diesem Grund einen Flug, entfällt die Beförderungspflicht, weil die Durchführung des Fluges unmöglich geworden ist. In diesem Fall ist die Fluggesellschaft zwar verpflichtet, die Gegenleistung, also den Flugpreis, zu erstatten, wird darüber hinaus in der Regel jedoch nicht zum Schadensersatz oder Aufwendungsersatz verpflichtet sein, weil es in den Corona-Fällen an einem Verschulden der Fluggesellschaft fehlt.

2. ​Arbeitsplatz

Eine Vielzahl von Rechtsfragen stellt sich insbesondere im Rahmen des Arbeitsverhältnisses, etwa wenn ein Mitarbeiter sich mit dem Corona-Virus infiziert hat oder ein Verdachtsfall vorliegt und sich die Ansteckungsgefahr im Betrieb konkretisiert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es ein allgemeines Recht der Arbeitnehmer, bei Ausbruch einer Erkrankungswelle wie dem Corona-Virus, der Arbeit fern zu bleiben, nicht gibt. Ohne objektiv begründeten Verdachtsfall bleibt der Arbeitnehmer daher verpflichtet, zur Arbeit zu erscheinen und diese auszuüben. Dabei besteht auch ein gesetzlicher Anspruch darauf, von Zuhause aus zu arbeiten („Home Office“), nicht. Arbeitnehmer können dies jedoch mit ihrem Arbeitgeber vereinbaren. Auch der vorübergehende Ausfall öffentlicher Verkehrsmittel führt nicht dazu, dass der Arbeitnehmer von seiner Arbeitspflicht befreit wird. Ihm obliegt das sog. Wegerisiko; der Arbeitnehmer muss dann andere Möglichkeiten finden, seinen Arbeitsplatz pünktlich zu erreichen.

Wenn der Beschäftigte infolge einer Infektion mit dem Corona-Virus arbeitsunfähig erkrankt und deshalb an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert ist, besteht – wie bei anderen Erkrankungen auch – ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum von sechs Wochen, im Anschluss daran besteht ggf. ein Anspruch auf Krankengeld bei gesetzlich Krankenversicherten bzw. auf Krankentagegeld bei privat Krankenversicherten (in Abhängigkeit vom jeweiligen Versicherungsvertrag). Sofern der Arbeitnehmer als Betroffener, z.B. aufgrund eines Verdachtsfalls, Adressat einer behördlichen Maßnahme, wird, z.B. eines vorübergehenden Tätigkeitsverbotes oder einer Quarantäne, die durch das örtlich zuständige Gesundheitsamt ausgesprochen wird, kann er ebenfalls den Anspruch auf Entgeltfortzahlung behalten. Der Arbeitgeber hat dann die Möglichkeit, bei der zuständigen Gesundheitsbehörde einen Antrag auf Erstattung dieser Entgeltfortzahlungen nach den Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes zu stellen. In dem Fall, dass eine behördlich angeordnete Quarantäne des Arbeitnehmers länger als sechs Wochen dauert, erhält der Arbeitnehmer sein Geld unmittelbar von der zuständigen Gesundheitsbehörde, jedoch maximal in Höhe des gesetzlichen Krankengeldes. Auch selbstständig Tätige haben die Möglichkeit, im Falle 
einer behördlich angeordneten Quarantäne bei der zuständigen Gesundheitsbehörde einen Antrag auf Entschädigung in Höhe ihres Verdienstausfalles zu stellen.

Die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers bleibt grundsätzlich auch dann bestehen, wenn die Arbeitnehmer arbeitsfähig und arbeitsbereit sind, aber aus Gründen nicht beschäftigt werden, die in der betrieblichen Sphäre des Arbeitgebers liegen. Dies ist zum einen der Fall, wenn ein Arbeitgeber aus Gründen der Fürsorge für die Mitarbeiter und/oder als allgemeine Vorsichtsmaßnahme den Betrieb vorübergehend schließt. 
Eine vorübergehende Betriebsschließung kann im Epidemiefall auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes auch durch das zuständige Gesundheitsamt angeordnet werden. Auch in diesem Fall ist der Arbeitgeber zunächst zur Entgeltfortzahlung verpflichtet mit der genannten Möglichkeit der Entschädigung durch die zuständige Behörde nach dem Infektionsschutzgesetz.

In Fällen, in denen es aufgrund von Corona-Erkrankungen zu erheblichen Personalausfällen oder aufgrund von diesbezüglichen Lieferengpässen zu einer notwendigen Produktionseinschränkung kommt, besteht für den Arbeitgeber unter Umständen die Möglichkeit, Kurzarbeit anzuordnen. Für betroffene Arbeitnehmer kommt dann ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld in Betracht. Ob die Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen, prüft die zuständige Agentur für Arbeit im Einzelfall.

Wenn es in diesem Zusammenhang zu einer Betriebsunterbrechung kommt, ist dies 
allerdings nicht notwendigerweise vom Versicherungsschutz einer sog. Betriebsunterbrechungsversicherung erfasst. Laut den üblichen Bedingungen der meisten Betriebsunterbrechungsversicherungen muss es sich für einen Leistungsanspruch nämlich in der Regel um einen Sachschaden handeln, der für die Betriebsunterbrechung ursächlich wird. Wenn also ein Unternehmen aus Gründen des Corona-Virus seinen Betrieb vorübergehend schließt, besteht in der Regel kein solcher Versicherungsschutz. Zwar gibt es auch Versicherer, die sog. Epidemie-Versicherungen anbieten. Eine solche kann allerdings im Hinblick auf das aktuell grassierende Corona-Virus nicht mehr (nachträglich) abgeschlossen werden.

3. ​Absage von Veranstaltungen​

Vermehrt stellen sich zudem Rechtsfragen, wenn sog. Großveranstaltungen (z.B. Messen, Konzerte, Fußball-Bundesligaspiele etc.) entweder aufgrund behördlicher Anordnung oder aus Vorsorgegründen abgesagt oder verlegt werden. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage nach möglichen Ersatzansprüchen des Zuschauers bzw. Besuchers. In diesem Zusammenhang wird es stets darauf ankommen, ob dem jeweiligen Veranstalter die Durchführung der Veranstaltung unzumutbar und die Leistungserbringung dadurch unmöglich geworden ist. In diesem Fall entfällt die Leistungspflicht des Veranstalters kraft Gesetzes. Dies setzt jedoch eine umfassende Interessenabwägung voraus. Wird der Veranstalter von seiner Leistungspflicht frei, entfällt auch die Gegenpflicht, also die Pflicht zur Zahlung des Eintrittsgeldes etc. bzw. entsteht ein Anspruch auf Rückerstattung, sofern dieses bereits erbracht wurde. Ein darüber hinausgehender Anspruch gegen den Veranstalter auf Schadensersatz oder Aufwendungsersatz, z.B. wegen nutzlos aufgewendeter Reisekosten zum ausgefallenen Event, besteht im Zweifel jedoch nicht, weil der Veranstalter die Unmöglichkeit der Durchführung der Veranstaltung zu vertreten haben müsste. Jedenfalls im Fall der behördlichen Anordnung der Veranstaltungsabsage wird der Veranstalter sich aber entlasten können, je nach Ausgestaltung des Einzelfalls und der erforderlichen Interessenabwägung, aber auch dann, wenn die Veranstaltungsabsage aufgrund eines Verdachtsfalles oder aus Gründen des allgemeinen Infektionsschutzes erfolgt.

4.​Erfüllung von Vertragspflichten im Allgemeinen

​Generell stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang vertraglich Pflichten, etwa die Lieferpflichten aus einem Liefervertrag, bei Schwierigkeiten aufgrund der Erkrankungswelle suspendiert sein können. Viele Verträge verfügen über sog. „Force majeure“ Klauseln, in denen bestimmte Fälle höherer Gewalt definiert werden, in denen die vertraglichen Pflicht vorübergehend entfallen. Dabei werden teilweise auch Seuchen oder Epidemien ausdrücklich genannt. Existiert eine solche Vertragsklausel nicht oder lässt die „Corona-Welle“ sich nicht unter die in der Klausel definierten Fälle einordnen, richtet sich nach dem allgemeinen, gesetzlichen Leistungsstörungsrecht. Es kommt dann wiederum darauf an, ob die Leistungserbringung, z.B. die Warenlieferung, für eine Partei unter Berücksichtigung aller Umstände unzumutbar und damit unmöglich geworden ist. Nur dann tritt eine Leistungsfreiheit ein und zugleich entfällt die Pflicht zur Gegenleistung, z.B. zur Bezahlung. Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch eine Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund oder das Verlangen nach einer Anpassung des Vertragsinhalts an die durch die Epidemie veränderten Umstände (bis hin zur Vertragsaufhebung) in Betracht kommen. 

Sie sehen, dass die Ausbreitung des Corona-Virus eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtsfragen aufwirft. Dabei kann die oben genannte Aufzählung nicht ansatzweise Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Es ist eine Vielzahl darüber hinausgehender Konstellationen in sämtlichen Rechtsgebieten denkbar. Zudem kommt es immer auf die konkrete Ausgestaltung des Einzelfalles an. 

Sofern Sie von einer dieser Situationen betroffen sind, helfen wir Ihnen gerne weiter.

Ansprechpartner:

Dr. Carsten Veenker
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht 
Fachanwalt für Verwaltungsrecht